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©Walter Paminger

bildhauersymposium

©Walter Paminger

jüdische gedenkstätte im zellpark

öffentlicher erinnerungsort bei ehemaliger synagoge

Im Perchtoldsdorfer Zellpark erinnert eine 2015 errichtete, künstlerisch gestaltete Gedenkstätte an die im Jahr 1421 ausgelöschte jüdische Gemeinde, an die 1938–1945 im NS Terror-Regime vertriebenen und ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger von Perchtoldsdorf sowie an jene Mutigen, die damals unter Lebensgefahr den Verfolgten Schutz gewährten.

Ein Ort des „Verortens“
Bürgermeister Schuster legte anlässlich der Denkmalenthüllung am 28. Juni 2015 ein klares Bekenntnis zu einem respektvollen Miteinander und gegen Ausgrenzung ab, entsprechende Versäumnisse in der Vergangenheit bedeuten einen Handlungsauftrag für Gegenwart und Zukunft. Er sei sicher, dass mit dem Zellpark der ideale Platz für die Gedenkstätte gefunden wurde: „Der Park hat sich durch das Kulturzentrum und den Kindergarten in den letzten Jahren zu einem wichtigen Zentrum entwickelt, hier gehen täglich Hunderte Menschen durch.“ Schon in der 1970er Jahren sei hier mit einem Bildhauersymposium für einen künstlerischen Aspekt gesorgt worden, es lag daher nahe, das Denkmal hierher zu setzen. Noch dazu, wo sich im Mittelalter an Stelle der heutigen Raiffeisenbank die Synagoge befunden habe. Perchtoldsdorf sei ein geschichtsträchtiger Ort, aber mit den dunklen Teilen der Geschichte tue man sich erwartungsgemäß schwer. Dies aufzuarbeiten und ins Bewusstsein einer jüngeren Generation zu bringen, hätten sich die Initiatoren zum Ziel gesetzt. Dafür sei die Zeit immer richtig, auch noch 70 Jahre nach Ende des Terrorregimes: „Es ist wichtig, auch der nächsten Generation und künftigen Generationen Anknüpfungspunkte zu geben, niemals mehr zu vergessen – Orte zu schaffen, wo man gewisse Dinge ,verorten' kann.“ Dank der Künstlerin Dvora Barzilai, die mit großem Einfühlungsvermögen genau das richtige Werk geschaffen habe, und aller anderen, die hier beteiligt waren, sei das gelungen. „Unser Anspruch, unsere Leistung muss es sein, so eine Zeit nicht wiederkehren zu lassen. Nicht nur jener zu gedenken, die auf der Tafel stehen, weil sie ihr Leben verloren haben, sondern auch jener, die Zivilcourage gezeigt haben, weil sie Menschen versteckt haben. Es ist für mich ein wirklich schöner Tag, es ist nicht so selbstverständlich, dass so etwas geschehen ist, und wichtig, dass es passiert.“

Ein Ort des Lernens für die Zukunft
Jeder von uns muss sich die Frage stellen, wie er innerhalb seines Wirkungsbereiches zu einer Kultur von Toleranz und Humanität beitragen kann. Für Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, ist das Symbol wichtig, „das ist ein Ausdruck des Lebens. Dass wir weiterleben und die Möglichkeit haben, dieses Leben weiter zu gestalten. Die Jugend muss lernen und sehen.“

Die Historikerin Dr. Brigitte Biwald erzählte vom Werden der Gedenkstätte. In wissenschaftlichen Projekten hat sich die Erwachsenbildnerin über viele Jahre intensiv mit der Medizingeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt, speziell mit dem Schicksal jüdischer Arztinnen und Ärzte in der Zwischenkriegszeit. Die 2008 erschienene Publikation „Jüdisches Leben in Perchtoldsdorf. Von den Anfängen im Mittelalter bis zur Auslöschung in der Shoah“ von Gregor Gatscher-Riedl war schließlich der Auslöser für ihre 2011 begonnenen Themenschwerpunktführungen. Das Interesse an der Wiederentdeckung des verschwundenen jüdischen Perchtoldsdorf war enorm und bestärkte sie in ihrem Vorhaben, ein Zeichen des Gedenkens an die schrecklichen Ereignisse während des NS-Regime zu setzen. Mag. Caroline Handler, die sich von Beginn an bei den Führungen engagierte, regte schließlich die Initiative zur Gedenkstätte an und übernahm die Projektleitung. Als sich herausstellte, dass ein solches Vorhaben weit über die finanziellen Möglichkeiten von einigen Privatpersonen hinausging, wurde 2013 die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) „Projekt Jüdisches Perchtoldsdorf – Initiative Gedenkstätte“ unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Martin Schuster gegründet. Die ideelle Unterstützung der Mitglieder des Arbeitskreises und der Institutionen, Spenden aus der Bevölkerung, Subventionen von Bund, Land und Gemeinde trugen maßgeblich dazu bei, dass die Gedenkstätte samt begleitender Gestaltung des Standortes (Gartenarchitektin DI Marlies Oeltze) verwirklicht werden konnte.

Ein Ort des Innehaltens, Gedenkens, Nachdenkens
Projektleiterin Mag. Caroline Handler hofft, dass mit dem Denkmal im Zellpark „ein Ort des Innehaltens, Gedenkens, Nachdenkens“ entsteht. Die Bronze-Skulptur der österreichisch-israelischen Künstlerin Barzilai, die diese „mit ganzer Kraft und ganzem Herzen“ als 2. Teil eines Dyptichons geschaffen habe, möge „Kraft und Inspiration spenden, um die gewaltigen Herausforderungen des Daseins zu meistern.“ Es ist kein Zufall, dass das Material des Steinsockels aus dem südsteirischen Aflenz stammt. Bei ihrem Einsatz im dortigen Bergwerk kamen in der NS-Zeit 500 Zwangsarbeiter ums Leben.

Der Text des Liedes „Kol Haolam Kulo“, das der Oberkantor der Israelitischen Kulturgemeinde Wien, Shmuel Barzilai, zum Abschluss der Feier intonierte, ist mit dem Text auf dem Sockel des Kunstwerks ident: „Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke, und die Hauptsache ist, keine Angst zu haben.“

Die jüdische Gedenkstätte wurde durch Unterstützung der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, des Landes NÖ, des National- und Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Raiffeisen-Regionalbank Mödling sowie privater Spender ermöglicht. An der bewegenden Gedächtnisfeier für die Opfer der Geserah 1421 und der Shoah 1938–1945 in Perchtoldsdorf nahmen rund 250 Menschen teil.