öffentlicher erinnerungsort bei ehemaliger synagoge
Im Perchtoldsdorfer Zellpark erinnert eine 2015 errichtete,
künstlerisch gestaltete Gedenkstätte an die im Jahr 1421 ausgelöschte
jüdische Gemeinde, an die 1938–1945 im NS Terror-Regime vertriebenen und
ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger von Perchtoldsdorf sowie an
jene Mutigen, die damals unter Lebensgefahr den Verfolgten Schutz
gewährten.
Ein Ort des „Verortens“
Bürgermeister Schuster legte anlässlich der Denkmalenthüllung am 28.
Juni 2015 ein klares Bekenntnis zu einem respektvollen Miteinander und
gegen Ausgrenzung ab, entsprechende Versäumnisse in der Vergangenheit
bedeuten einen Handlungsauftrag für Gegenwart und Zukunft. Er sei
sicher, dass mit dem Zellpark der ideale Platz für die Gedenkstätte
gefunden wurde: „Der Park hat sich durch das Kulturzentrum und den
Kindergarten in den letzten Jahren zu einem wichtigen Zentrum
entwickelt, hier gehen täglich Hunderte Menschen durch.“ Schon in der
1970er Jahren sei hier mit einem Bildhauersymposium für einen
künstlerischen Aspekt gesorgt worden, es lag daher nahe, das Denkmal
hierher zu setzen. Noch dazu, wo sich im Mittelalter an Stelle der
heutigen Raiffeisenbank die Synagoge befunden habe. Perchtoldsdorf sei
ein geschichtsträchtiger Ort, aber mit den dunklen Teilen der Geschichte
tue man sich erwartungsgemäß schwer. Dies aufzuarbeiten und ins
Bewusstsein einer jüngeren Generation zu bringen, hätten sich die
Initiatoren zum Ziel gesetzt. Dafür sei die Zeit immer richtig, auch
noch 70 Jahre nach Ende des Terrorregimes: „Es ist wichtig, auch der
nächsten Generation und künftigen Generationen Anknüpfungspunkte zu
geben, niemals mehr zu vergessen – Orte zu schaffen, wo man gewisse
Dinge ,verorten' kann.“ Dank der Künstlerin Dvora Barzilai, die mit
großem Einfühlungsvermögen genau das richtige Werk geschaffen habe, und
aller anderen, die hier beteiligt waren, sei das gelungen. „Unser
Anspruch, unsere Leistung muss es sein, so eine Zeit nicht wiederkehren
zu lassen. Nicht nur jener zu gedenken, die auf der Tafel stehen, weil
sie ihr Leben verloren haben, sondern auch jener, die Zivilcourage
gezeigt haben, weil sie Menschen versteckt haben. Es ist für mich ein
wirklich schöner Tag, es ist nicht so selbstverständlich, dass so etwas
geschehen ist, und wichtig, dass es passiert.“
Ein Ort des Lernens für die Zukunft
Jeder von uns muss sich die Frage stellen, wie er innerhalb seines
Wirkungsbereiches zu einer Kultur von Toleranz und Humanität beitragen
kann. Für Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner der Israelitischen
Kultusgemeinde Wien, ist das Symbol wichtig, „das ist ein Ausdruck des
Lebens. Dass wir weiterleben und die Möglichkeit haben, dieses Leben
weiter zu gestalten. Die Jugend muss lernen und sehen.“
Die Historikerin Dr. Brigitte Biwald erzählte vom Werden der
Gedenkstätte. In wissenschaftlichen Projekten hat sich die
Erwachsenbildnerin über viele Jahre intensiv mit der Medizingeschichte
des 19. und 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt, speziell mit dem
Schicksal jüdischer Arztinnen und Ärzte in der Zwischenkriegszeit. Die
2008 erschienene Publikation „Jüdisches Leben in Perchtoldsdorf. Von den
Anfängen im Mittelalter bis zur Auslöschung in der Shoah“ von Gregor
Gatscher-Riedl war schließlich der Auslöser für ihre 2011 begonnenen
Themenschwerpunktführungen. Das Interesse an der Wiederentdeckung des
verschwundenen jüdischen Perchtoldsdorf war enorm und bestärkte sie in
ihrem Vorhaben, ein Zeichen des Gedenkens an die schrecklichen
Ereignisse während des NS-Regime zu setzen. Mag. Caroline Handler, die
sich von Beginn an bei den Führungen engagierte, regte schließlich die
Initiative zur Gedenkstätte an und übernahm die Projektleitung. Als sich
herausstellte, dass ein solches Vorhaben weit über die finanziellen
Möglichkeiten von einigen Privatpersonen hinausging, wurde 2013 die
Arbeitsgemeinschaft (ARGE) „Projekt Jüdisches Perchtoldsdorf –
Initiative Gedenkstätte“ unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister
Martin Schuster gegründet. Die ideelle Unterstützung der Mitglieder des
Arbeitskreises und der Institutionen, Spenden aus der Bevölkerung,
Subventionen von Bund, Land und Gemeinde trugen maßgeblich dazu bei,
dass die Gedenkstätte samt begleitender Gestaltung des Standortes
(Gartenarchitektin DI Marlies Oeltze) verwirklicht werden konnte.
Ein Ort des Innehaltens, Gedenkens, Nachdenkens
Projektleiterin Mag. Caroline Handler hofft, dass mit dem Denkmal im
Zellpark „ein Ort des Innehaltens, Gedenkens, Nachdenkens“ entsteht. Die
Bronze-Skulptur der österreichisch-israelischen Künstlerin Barzilai,
die diese „mit ganzer Kraft und ganzem Herzen“ als 2. Teil eines
Dyptichons geschaffen habe, möge „Kraft und Inspiration spenden, um die
gewaltigen Herausforderungen des Daseins zu meistern.“ Es ist kein
Zufall, dass das Material des Steinsockels aus dem südsteirischen Aflenz
stammt. Bei ihrem Einsatz im dortigen Bergwerk kamen in der NS-Zeit 500
Zwangsarbeiter ums Leben.
Der Text des Liedes „Kol Haolam Kulo“, das der Oberkantor der
Israelitischen Kulturgemeinde Wien, Shmuel Barzilai, zum Abschluss der
Feier intonierte, ist mit dem Text auf dem Sockel des Kunstwerks ident:
„Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke, und die Hauptsache ist,
keine Angst zu haben.“
Die jüdische Gedenkstätte wurde durch Unterstützung der Marktgemeinde
Perchtoldsdorf, des Landes NÖ, des National- und Zukunftsfonds der
Republik Österreich, der Raiffeisen-Regionalbank Mödling sowie privater
Spender ermöglicht. An der bewegenden Gedächtnisfeier für die Opfer der
Geserah 1421 und der Shoah 1938–1945 in Perchtoldsdorf nahmen rund 250
Menschen teil.