Beatrix von Zollern l Thomas Ebendorfer l Joseph Hyrtl l Alfred Merz l Franz Steindachner l Christoph Willibald Gluck l Hugo Wolf l Franz Schmidt l weitere Musiker l Maler & Schriftsteller |
Seit jeher suchten Künstler und Gelehrte Perchtoldsdorf auf, um sich
von der reizvollen Landschaft zur schöpferischen Arbeit inspirieren zu
lassen oder aber abseits vom Großstadttrubel schöpferische Pausen
einzulegen. So hat Perchtoldsdorf im Laufe seiner ereignisreichen
Geschichte viele bedeutende Persönlichkeiten in seinen Mauern
beherbergt. Manche hielten sich nur vorübergehend hier auf, andere
blieben für immer hier und bezeichneten sich selbst auch gerne als
"Wahl-Perchtoldsdorfer".
Herzogin Beatrix von Zollern
Die erste große "Perchtoldsdorferin", die uns entgegentritt, ist
Herzogin Beatrix von Zollern (um 1365-1414), die Gemahlin Herzog
Albrechts III. Sie war von 1386 bis zu ihrem Tod 1414 Eigentümerin der
Herrschaft Perchtoldsdorf und eine große Wohltäterin des Ortes. Ihrer
Initiative verdankt Perchtoldsdorf ein Jahrmarktprivilegium, das vom
Sohn der seit 1395 verwitweten Herzogin, Albrecht IV., im Jahr 1400
ausgestellt wurde. Durch die Gründung des Perchtoldsdorfer Bürgerspitals
und der dazugehörigen, heute noch existierenden Spitalskirche hat sich
Beatrix im Ort ein bleibendes Denkmal geschaffen.
Thomas Ebendorfer
Als ersten großen "Perchtoldsdorfer" könnte man Thomas Ebendorfer (1388-1464) "von Haselbach", wie er nach seinem Geburtsort Haselbach im Rohrwald genannt wurde, bezeichnen. In einer Zeit, in der die Universität nicht nur die Wissenschaften gepflegt hat, sondern auch politische Weichen gestellt wurden, besaßen der Rektor und die Dekane der Wiener Universität bedeutende Machtpositionen.
Thomas Ebendorfer, mit 36 Jahren zum ersten Mal Rektor, war dazu noch
fünfzehnmal Dekan der theologischen Fakultät. Neben seiner
umfangreichen Lehrtätigkeit — er las über lateinische Grammatik, über
Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie, natürlich auch
Theologie und über Kanonisches Recht — galt er als bedeutender
Historiograph, der in seinen geschichtlichen Werken "Chronica Austriae",
einer Chronik der römischen Kaiser bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts
und einer Passauer Kirchengeschichte (fast ganz Niederösterreich gehörte
damals noch zum Bistum Passau) für die Historiker späterer Tage
unschätzbares Quellenmaterial hinterließ. Seit 1432 war er offizieller
Vertreter der Wiener Universität auf dem Konzil zu Basel und engagierte
sich bei den Ausgleichsverhandlungen mit den Hussiten.
Zusätzlich zu seinen zahlreichen Aktivitäten verwaltete Ebendorfer ab
1435 auch noch die Pfarre Perchtoldsdorf. Seine Wirksamkeit fällt mit
einem Höhepunkt spätmittelalterlichen kirchlichen Lebens in
Perchtoldsdorf zusammen. Unter ihm wurde der gotische Ausbau der Kirche
mit der Errichtung des Langhauses abgeschlossen. Der einflußreiche Mann
nützte seine Beziehungen und verschaffte der Pfarre Privilegien, die ihr
in diesem Maß später nie wieder zuteil geworden sind.
Ebendorfer wurde in der Perchtoldsdorfer Pfarrkirche beigesetzt, sein
Grabstein blieb uns erhalten und ist heute im Wehrturm
(Nikolauskapelle) aufgestellt.
Literatur:
Thomas Ebendorfer von Haselbach (1388-1464). Gelehrter/Diplomat/Pfarrer von Perchtoldsdorf. Katalog zur Ausstellung anläßlich der 600. Wiederkehr des Geburtstages von Thomas Ebendorfer. Perchtoldsdorf 1988.
Joseph Hyrtl
Der Anatom Joseph Hyrtl (1810-1894) war eine der Koryphäen der Wiener
medizinischen Schule. In Perchtoldsdorf, wo er die letzten zwei
Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, wird er heute noch als
"Menschenfreund" und Stifter zahlreicher sozialer Einrichtungen verehrt.
Der am 7. Dezember 1810 geborene Sohn eines Oboisten in der Fürstlich
Esterhazyschen Hofkapelle zu Eisenstadt kam als Sängerknabe nach Wien,
studierte Medizin und promovierte 1835. Er hatte mehrere Jahre den
Lehrstuhl für Anatomie an der Prager Universität inne, 1845 übernahm er
die Anatomie in Wien. 1850 richtete Hyrtl das "Museum für vergleichende
Anatomie" ein und baute das von van Swieten 1745 gegründete "Museum für
menschliche Anatomie" aus. Mit seinen Sammlungen zur vergleichenden
Anatomie begann der bald weltweit bekannte Wissenschafter die
systematische Forschung auf diesem Gebiet. Er versorgte nahezu alle
anatomischen Institute der Welt mit seinen Präparaten, für deren
Herstellung er neue Injektionsverfahren (Korrosionstechnik) entwickelte.
1874 trat Joseph Hyrtl wegen zunehmender Sehschwäche in den Ruhestand
und zog sich mit seiner Frau, der Dichterin Auguste Hyrtl, in das schon
1869 erworbene Haus in Perchtoldsdorf, Kirchengasse 1 (jetzt Paul
Katzberger-Platz 5), zurück, wo er bis kurz vor seinem Tod am 17. Juli
1894 seine Forschungstätigkeit fortsetzte. Er widmete sich nun vor allem
der Entwicklung der medizinischen Fachsprache. Von seinen zahlreichen
Publikationen sind das "Lehrbuch der Anatomie des Menschen" (1846) und
das zweibändige "Handbuch der topographischen Anatomie" (1847) zu
nennen.
Sein Millionenvermögen stellte der 1875 zum Ehrenbürger ernannte
weltbekannte Anatom wohltätigen Zwecken und Einrichtungen zur Verfügung.
So machte er unter anderem 1886 die Errichtung einer
"Kinderbewahranstalt" (heute Kindergarten Hochstraße 28) und den Ausbau
des Bürgerspitalsgebäudes möglich. Ihren deutlichsten Ausdruck fand
Hyrtls philanthrope Gesinnung in der Errichtung der Mödlinger
Waisenhausstiftung.
1991 wurde eine umfangreiche Hyrtl-Monografie aufgelegt: Gasser/Mitterwenger/Karanitsch, Der Anatom Joseph Hyrtl 1810-1894. Perchtoldsdorf 1991.
Alfred Merz
Der Perchtoldsdorfer Naturwissenschafter Alfred Merz (1880-1925), Leiter des Instituts für Meereskunde in Berlin, war einer der größten Ozeanographen seiner Zeit. Er starb auf einer Expedition zur Vermessung des Südatlantiks in Buenos Aires und liegt in Perchtoldsdorf begraben.
Franz Steindachner
Als einer der größten Zoologen, was die Fischkunde (Ichthyologie) anlangt, ist der Name Dr. Franz Steindachner (1834-1919) noch heute aus dem weltweiten "Who is Who" nicht wegzudenken. Steindachner, übrigens ein Schüler Hyrtls, war Direktor des Zoologischen Hofkabinetts. Sammlungsreisen führten ihn nach Nord- und Südamerika, quer durch Europa und Kleinasien. Mit seinem Namen ist die Bearbeitung des Materials, das z. B. die Novarra- oder die Hassler-Expedition erbrachten, verbunden. Er selbst leitete mehrere Expeditionen, z.B. die "1. Rote Meer-Expedition" der Pola. Franz Steindachner liegt am Perchtoldsdorfer Friedhof begraben.
Christoph Willibald Gluck
Auch Musiker fühlten sich von Perchtoldsdorf angezogen. So wissen wir, daß der Komponist Christoph Willibald Gluck (1714-1787), der Erneuerer und Reformator der ernsten Oper, 1781 das Haus Wiener Gasse 22 erwarb. In dem von einem großen Garten umgebenen Landhaus in Perchtoldsdorf verbrachte der Komponist seine letzten Lebensjahre. Hier soll es auch zu Begegnungen mit Haydn und Mozart gekommen sein. Erst kurz vor seinem Tod trennte sich Gluck wieder von seinem Perchtoldsdorfer Domizil.
Hugo Wolf
Der große Liederkomponist Hugo Wolf (1860-1903)
hielt sich in den Jahren 1888 bis 1896 einige Male die Wintermonate
über im Haus der Familie Werner, Brunner Gasse 26, auf. Hier schuf er
nicht weniger als 116 Lieder, darunter die herrlichen Vertonungen der
Gedichte Mörikes, das "Spanische Liederbuch", den zweiten Teil des
"Italienischen Liederbuchs" und Teile seiner Oper "Der Corregidor".
Heinrich Werner, Sohn des Hausbesitzers und wie sein Vater ein
bekannter Börsenmakler, war der getreue Chronist des Lebens und Wirkens
des Komponisten in seinem Lieblingsort. Hugo Wolf erlebte in
Perchtoldsdorf Phasen geradezu rauschhafter Schaffenskraft, ehe die
geistige Umnachtung seiner Arbeit ein frühes Ende setzte.
1973 richtete die Marktgemeinde Perchtoldsdorf im Haus Brunner Gasse 26 ein Hugo Wolf-Museum ein.
Franz Schmidt
Franz Schmidt (1874-1939), der bedeutende Orgelkomponist, der Perchtoldsdorf schon in seiner Jugend kennen und lieben lernte, erwarb im Jahr 1926 die Villa Lohnsteinstraße 4, die er bis an sein Lebensende bewohnte. Schmidt gehörte als Cellist lange Jahre den Wiener Philharmonikern an, war Lehrer an der Musikakademie und von 1927 bis 1931 Rektor der Hochschule für Musik und darstellende Kunst.
In Perchtoldsdorf arbeitete er an seinem kompositorischen Werk. Er steht in der Übergangsphase zwischen Spätromantik und Moderne an vorderster Stelle, vor allem was seinen musikalischen Einfallsreichtum und die subtile Beherrschung der Technik betrifft.
Ein kleiner Teil des künstlerischen und zahlreiche Objekte seines persönlichen Nachlasses befinden sich heute in der Franz Schmidt-Musikschule, siehe Franz Schmidt-Gedenkstätte.
Werke:
Opern: Notre Dame, 1914 (bekannt ist besonders das Vorspiel zum 3. Akt); Fredigundis, 1922.
Oratorium: Das Buch mit sieben Siegeln, 1935-37.
4 Symphonien, zahlreiche Orgel- und Klavierwerke sowie Kammermusik.
Weitere Musiker mit Bezug zu Perchtoldsdorf
Franz Schubert (1797-1828) war des öfteren im Haus des Schulmeisters und Komponisten Ambros Rieder (1771-1855) zu Besuch. Auch von W.A. Mozart (1756-1791) wissen wir aus einem Brief an seine
Frau Konstanze, dass er zumindest gelegentlich eines Besuches seines
Sohnes Carl in Perchtoldsdorf war. Carl Mozart war damals Zögling im
Internat von Wenzel Bernardin Heeger in der Wiener Gasse 30-32.
Auch Gustav Mahler (1860-1911) hielt sich in den 1880er Jahren mehrfach in Perchtoldsdorf auf. Die von der bedeutenden Mahler-Forscherin Herta Blaukopf edierten Briefe des Komponisten enthalten vielerlei Hinweise auf Besuche in dem beliebten Sommerfrischeort, wo sein Freund, der Archäologe und Philologe Friedrich Löhr und Geschwister Mahlers die Sommermonate verbrachten. →Mehr darüber in der Ausgabe 3/2007 der Perchtoldsdorfer Rundschau.
Maler und Schriftsteller
Die Schönheit des Ortes zog auch viele Schriftsteller und bildende Künstler in ihren Bann.
So verbrachte Franz Grillparzer (1791-1872) den Sommer des Jahres 1846 im Haus Wiener Gasse 9, der Bildhauer Viktor Tilgner (1844-1896), der Schöpfer des Mozart-Denkmals in Wien, war ein langjähriger Sommergast in Perchtoldsdorf und auch die Malerfamilie Alt kam hierher in die Sommerfrische. Jakob Alt (1789-1872) malte 1838 die "Perchtoldsdorfer Fronleichnamsprozession", von seinem Sohn Rudolf stammt ein Bild des Marktplatzes aus dem Jahr 1891.
Ein "Wahlperchtoldsdorfer" von besonderem Rang war der Maler Hans Fronius (1903-1988). Neben Gemälden und Zeichnungen hinterließ er auch ein bedeutendes druckgraphisches Werk.
Fronius, 1903 in Sarajewo geboren, zählt zu den wichtigsten Vertretern der spezifisch österreichischen Variante des Expressionismus, mit dem sich auch die Namen Oskar Kokoschka und Herbert Boeckl verbinden. Fronius hat als international renommierter Holzschneider, Lithograph und zuletzt im besonderen Maße als Radierer ein ungemein vielfältiges Lebenswerk hinterlassen. Ein noch zu Lebzeiten des Künstlers erstellter Katalog verzeichnet knapp 1000 Druckgraphiken. Die Zahl seiner Handzeichnungen (Illustrationen, Theaterzeichnungen, Städtebilder und Landschaften, imaginäre Porträts, biblische Themen und anderes) ist praktisch unüberschaubar.
Eine skurrile Erscheinung mit lang herabflutendem Haar und Schlapphut war der Schriftsteller Dr. Alois Th. Tluchor (1869-1939), der unter dem Namen Alois Th. Sonnleitner und seinem in viele Sprachen übersetzten Hauptwerk "Die Höhlenkinder" bekannt wurde. In seinem Haus in der Walzengasse 26 hatte er ein kleines Museum eingerichtet, in dem er gerne Schulklassen empfing.