Geschichte

zur Zeittafel

Nach heutigem Kenntnisstand setzt die Siedlungstätigkeit im Raum Perchtoldsdorf bereits im 6. Jahrtausend vor Christi ein. Eine mehr oder weniger längerdauernde Anwesenheit siedelnder und wirtschaftender Menschen seit dem Frühneolithikum ist im Ortsgebiet durch eindrucksvolle Funde belegt. Der Siedlungsschwerpunkt lag zunächst im Gebiet Judenacker und Aspetten (an der heutigen Südbahn), eine Verlagerung auf den Hochberg wird erst für die Kupferzeit (3. Jahrtausend vor Chr.) wahrscheinlich. Das römische Perchtoldsdorf lag nach den neuesten Forschungen im Gebiet der Riede Aspetten und damit auf jenem Areal, das bereits in der Jungsteinzeit besiedelt gewesen war.

Der Beginn der kontinuierlichen Besiedlung im Ortskern lässt sich vorläufig nicht genau festlegen. Über die Gründung des Ortes gibt es keine Aufzeichnungen. In einer schriftlichen Quelle taucht der Name "Perchtoldsdorf" zum ersten Mal um 1140 auf (das ist etwa zur gleichen Zeit wie die erste urkundliche Erwähnung Wiens), und zwar in einer nicht genau datierbaren Schenkungsnachricht, die im Klosterneuburger Traditionsbuch überliefert ist und bei der ein Heinrich von Perchtoldsdorf, ein babenbergischer Ministeriale (Hofbeamter), als Zeuge fungierte.

Der Siedlungskern lag im Bereich Burg und Heldenplatz, an einem alten, wohl schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit begangenen Weg, dem sogenannten "Gebirgsrandweg", der von der Wienflussfurt bei Hietzing über Lainz – Speising – Mauer – Rodaun und von dort über die heutige Hochstraße nach Perchtoldsdorf und weiter über Brunn und Maria Enzersdorf nach Süden führte. An diesem mit Sicherheit auch von den Römern benützten Verkehrsweg entstand im Zuge der Expansionsbestrebungen der ottonischen und salischen Kaiser eine Kette von Burgen, die das eroberte Gebiet gegen die nach Osten abgedrängten Magyaren zu sichern hatten. Ein Glied in dieser Kette war die Burg von Perchtoldsdorf.

Der dem Dorf seinen Namen gebende „Berchtold" ist historisch nicht fassbar. Neben den hochsprachlichen Namensformen Berchtoldsdorf/Perchtoldsdorf gibt es eine seit langem gebräuchliche mundartliche Namensform "Petersdorf".

Bis 1286 saßen die Nachfahren des Heinrich von Perchtoldsdorf, die Herren von Perchtoldsdorf, und damit eines der bedeutendsten Geschlechter des Herzogtums auf der Burg Perchtoldsdorf. Für den Ort bedeutend war Otto I. von Perchtoldsdorf, der 1217 von Bischof Ulrich II. von Passau (dessen Bistum sich nach Osten zu beinahe über ganz Niederösterreich erstreckte) die Gründung der Pfarre Perchtoldsdorf erwirkte.

Die Dienste und Abgaben ihrer bäuerlichen Untertanen, über die sie auch die richterliche Gewalt ausübten, ermöglichten den Herren von Perchtoldsdorf die standesgemäße ritterliche Lebensführung. Als Burgherren geboten sie über eine eigene Gefolgschaft, die sogenannten Knappen, welche im Bereich der oberen Wiener Gasse (im Mittelalter „Knappenstraße“) hausten.

Nach dem Aussterben der Herren von Perchtoldsdorf (1286) gingen die Besitz- und Herrschaftsrechte auf die neuen österreichischen Landesfürsten, die Habsburger, über, die daraus zunächst durch Verpfändungen vielfachen Nutzen zogen. Schließlich flossen die Abgaben der Untertanen in die landesfürstliche Kammer und dienten zur Ausstattung weiblicher Mitglieder des Herrscherhauses, die sich in der um 1332 zu einer kleinen „Herzoginnenresidenz“ ausgebauten Burg Perchtoldsdorf aufhielten und die Entwicklung des Ortes nachhaltig förderten.

Neben Elisabeth von Virneburg, Johanna von Pfirt und Katharina von Luxemburg war es vor allem Herzogin Beatrix von Zollern (um 1365-1414), die Witwe Albrechts III., die sich um Perchtoldsdorf besonders verdient gemacht hat. Sie gründete unter anderem das hiesige Bürgerspital. Auf ihre Verwendung hin wurde Perchtoldsdorf im Jahre 1400 ein Jahrmarktprivilegium verliehen. In den folgenden Jahren erfuhr der Markt noch eine ganze Reihe wesentlicher Verbesserungen seiner Rechte. 1406 verlieh Herzog Wilhelm den Perchtoldsdorfer Bürgern Wappen und Siegel (siehe dazu den Rundschau-Artikel  Wappen und Siegel. Im Jahr 1404 wurde nicht nur ein zweiter Jahrmarkt verbrieft, sondern auch das Recht der Richter- und Ratswahl.

So konnte sich im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts ein für einen Ort dieser Größenordnung recht gut entwickeltes und differenziertes kleinstädtisches Erwerbsleben und eine Administration mit beachtlichem Organisationsniveau entwickeln. Die hausbesitzenden Einwohner nannten sich „Bürger“, der Ortsrichter führte den Titel „Marktrichter“. Die Gemeinde wurde seit 1404 durch einen zwölfköpfigen Rat vertreten, der von den Bürgern alljährlich neu gewählt wurde. Ab 1440 war Perchtoldsdorf zusammen mit den Märkten Gumpoldskirchen, Mödling und Langenlois in der Städtekurie des niederösterreichischen Landtags vertreten.

Auf Jahrzehnte ungetrübten Aufstiegs folgten unruhige Zeiten. Der Bruderzwist im Hause Habsburg zwischen Friedrich III. und Albrecht VI. führte zu einem regelrechten Kleinkrieg von Söldnerbanden, die als Ersatz für nicht ausbezahlten Sold das Land plünderten, wobei auch Perchtoldsdorf, von den Truppen des Ungarnkönigs Johann Hunyadi schon 1446 schwer verwüstet, stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Unter dem mährischen Söldnerführer Heinrich Smikousky besetzten 1465 sogar 800 Mann die Burg. Bald darauf, 1477, eroberte der Ungarnkönig Matthias Corvinus das ganze heutige Niederösterreich mitsamt Wien. Auch Perchtoldsdorf war tief in die Wirren und Streitigkeiten verstrickt und wechselte mehrmals den Besitzer. Erst unter Kaiser Maximilian I. (1493-1519), der das Wiener Becken aus der ungarischen Hand befreien konnte, erholte sich Perchtoldsdorf von den Verheerungen der vorangegangenen Jahrzehnte. Im Ort lässt sich in der Folgezeit eine rege Bautätigkeit feststellen, wobei die Verteidigungslinien ausgebaut, alle Befestigungsanlagen instandgesetzt und verstärkt wurden und im Jahre 1521 der 60 m hohe Wehrturm, das 1450 begonnene Wahrzeichen des Ortes, endlich fertiggestellt werden konnte. Auch die private Bautätigkeit lebte auf. 1525 zählte man in einem Steuerkataster 255 Häuser. Einige der schönen alten Bürgerhäuser stammen aus dieser Zeit.

Dank des guten Zustandes der Verteidigungsanlagen konnten die Perchtoldsdorfer die Türkeninvasion von 1529 hinter den starken Mauern der Kirchenfestung abschlagen, der Markt selbst wurde aber schwer verwüstet.

Um 1550 dürfte ein erheblicher Teil der Perchtoldsdorfer Bevölkerung evangelisch gewesen sein, die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts und auch das frühe 17. Jahrhundert waren von inneren Spannungen im Gefolge von Reformation und Gegenreformation geprägt.

Das 17. Jahrhundert stellt für Perchtoldsdorf eine Periode des wirtschaftlichen Niedergangs dar. Schwierigkeiten mit dem Weinabsatz, verschärfter Steuerdruck und fortwährende Truppeneinquartierungen führten zu einem völligen Zusammenbruch der Gemeindefinanzen und zur Verwahrlosung des Ortes. Gerade als sich Ansätze einer Verbesserung abzeichneten, brachte die Katastrophe des Jahres 1683 einen neuerlichen schweren Rückschlag. Etwa ein Sechstel bis ein Fünftel der Bevölkerung fiel dem Türkensturm zum Opfer, kaum ein Haus blieb unbeschädigt, der Ort wurde vollständig ausgeplündert. Der Wiederaufbau nahm Jahre in Anspruch.

Ab dem frühen 18. Jahrhundert lässt sich für Perchtoldsdorf ein Aufblühen des Wallfahrtswesens als Ausdruck typischer Volksfrömmigkeit des Barockzeitalters feststellen: Auf dem Leonhardiberg wurde eine schon seit langem bestehende Kapelle zu einer Wallfahrtskirche ausgebaut. Die Reformen Kaiser Josefs II. machten dieser Tradition jedoch bald wieder ein Ende.

Wie alle kleinen Städte des Landes erhielt Perchtoldsdorf 1785 einen "regulierten Magistrat". Anstelle des bisherigen Marktrichters trat nun ein Bürgermeister an die Spitze der Gemeindevertretung.

Im 19. Jahrhundert zeigt auch Perchtoldsdorf Ansätze zur Industrialisierung. Die Ansiedlung neuer Produktionszweige wie Baumwolldruck (im Knappenhof), Lederfabrikation, Salpeter- und Salzsäureproduktion, Wachskerzenerzeugung und Eisfabrik brachte neue Erwerbsmöglichkeiten, aber auch gewaltige soziale Probleme mit sich. Hinzu kam der zunehmende Einsatz von Maschinen, der die Drucker und Weber in den Kattundruckereien alsbald wieder arbeits- und brotlos machte. Die Verzweiflung dieser Menschen entlud sich im März 1848 in einem "Maschinensturm", der auch Perchtoldsdorf erfasste und das Ende der Baumwolldruckerei im Knappenhof bedeutete. Die Revolution 1848 in Perchtoldsdorf (Gertrude Langer-Ostrawsky).

Im Vormärz erschloss die Vermietung von Sommerwohnungen den Perchtoldsdorfern neue Erwerbsmöglichkeiten. Die Inbetriebnahme der Kaltenleutgebner Bahn (1883) und der Kraußschen Dampftramway von Hietzing nach Perchtoldsdorf (ebenfalls 1883) rückte den abseits der Hauptverkehrslinien liegenden Ort näher an Wien heran, was der Entwicklung des Fremdenverkehrs besonders zuträglich war und um 1900 hier zu einer reichen Entfaltung von Handwerk und Gewerbe führte.

Lange Zeit konnte Perchtoldsdorf den landschaftlichen Charakter eines Weinbauortes bewahren. Das Auftreten der Reblaus (1887) brachte die Weinbaubetriebe jedoch in eine schwere Existenzkrise. Ehemals landwirtschaftliche Kulturflächen wurden ab den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts verstärkt der Verbauung zugeführt, am Abhang der Heide entstanden die sogenannten Villenviertel.

Um 1860 setzte rasches Bevölkerungswachstum ein. Der Ort, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts rund 1.800 Einwohner (1814) gezählt hatte, verdreifachte zwischen 1855 (2.800) und 1923 (7.800) nahezu seine Einwohnerzahl.

Die im 19. Jahrhundert ausgebildeten Strukturen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens wirkten im Heurigenort Perchtoldsdorf weit in das 20. Jahrhundert hinein. Der Fremdenverkehr bewahrte seine Bedeutung für den Ort, doch gewann mit zunehmender Mobilisierung der Ausflugstourismus gegenüber dem klassischen Sommerfrischewesen immer mehr an Bedeutung.

1938 wurde Perchtoldsdorf nach „Groß-Wien“ eingemeindet und Teil des damals geschaffenen 25. Wiener Gemeindebezirks. Der Ort erlebte in den Apriltagen 1945 schwere Zeiten, blieb aber von kriegsbedingter Zerstörung weitgehend verschont und kam nach Kriegsende für zehn Jahre unter russische Besatzung. Am 1. September 1954 wurde Perchtoldsdorf wieder selbständige, zum Bundesland Niederösterreich gehörige Marktgemeinde.

Die unerwartet wiedergewonnene kommunale Eigenständigkeit setzte schon bald einen gewaltigen Nachholprozess in Gang. Nicht nur die lange Zeit vernachlässigte Infrastruktur wurde ausgebaut, sondern auch moderne Gemeinschaftseinrichtungen, Freizeit- und Sportanlagen errichtet. Auch entfaltete die Gemeinde zahlreiche beispielhafte Aktivitäten auf denkmalpflegerischem Gebiet: Die Burg wurde 1964-1967 revitalisiert und zu einem Veranstaltungszentrum ausgebaut und historische Sakral- und Profanbauten wurden nach und nach renoviert.

Das schon in den frühen 1960iger Jahren mit der örtlichen Raumordnung geschaffene Instrument einer generellen, vorausschauenden Ortsentwicklung bewahrte Perchtoldsdorf vor ungeordnetem Ausbau und Zersiedelung, wie sie andernorts oft anzutreffen ist. Der 1961 unter dem Motto „Perchtoldsdorf – Stätte der Erholung“ beschlossene erste Flächenwidmungsplan hatte landesweit für viele Gemeinden Vorbildwirkung. An diesem Grundkonzept wurde im wesentlichen bis heute festgehalten, Bebauungsplan bzw. Bebauungsvorschriften mussten zum Schutz des Ortsbildes und der Grünlandflächen aber mehrmals nachgeschärft werden.

Im 21. Jahrhundert steht die Kommunalpolitik vor neuen großen Herausforderungen. Eine davon ist die Bewahrung des ortsbildwirksamen Erscheinungsbildes bei anhaltend starkem Siedlungsdruck, dem Perchtoldsdorf aufgrund der Großstadtnähe permanent ausgesetzt ist.

 Literatur: 
Silvia Petrin, Die historische Entwicklung von Pfarre und Markt. In: Museum Perchtoldsdorf. Katalog. Herausgegeben von der Marktgemeinde Perchtoldsdorf. Perchtoldsdorf 1973. - Silvia Petrin/Gertrude Ostrawsky, Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf. 2 Bände. Perchtoldsdorf 1983. - Ferdinand Opll, Brunn am Gebirge, Perchtoldsdorf, Maria Enzersdorf. Niederösterreichischer Kulturführer. Verlag Jugend & Volk, Wien-München 1984. - Bildband Perchtoldsdorf, Text von Günter Treffer. Edition Christian Brandstätter. Wien 1982.